»Fahrt ins Ziegelrote«
»(. . .) die alltäglichen Dinge, die niemals banal sind.« Katja Petrowskaja, Das Foto schaute mich an
Am 3. Mai, dem Tag des Mathematik-Abiturs, ergriffen 23 Schülerinnen und Schüler der Vorklassen sowie der KI mit ihrer Lehrerin Frau Braun und ihren Lehrern, Herrn Wecker und Herrn Paulus, die Flucht und machten sich mit der »schwäb’sche Eisebahne« auf den Weg ins Grüne? – Blaue? – oder eigentlich doch Rote? Auf jeden Fall: ins schöne Allgäu! Ihr Ziel war das sehr moderne Künstlerhaus Marktoberdorf und dessen aktuelle Schau Bild und Ton.
Nach der etwa 90-minütigen Anreise bei strahlendem Frühlingssonnenschein fand sich die Kunst-Expedition des Münchenkollegs im mit Backstein ummauerten Vorhof des Museums wieder, bei einer kurzen Einführung zu Geschichte und Architektur des 2001 eröffneten Gebäudes. Der von dem Schweizer Büro »Bearth & Deplazes« entworfene Bau, bestehend aus zwei würfelförmigen und leicht versetzt aneinander geschobenen Baukörpern, wurde mit 18 verschiedenen Klinkersteinvarianten errichtet. Dabei verbleiben sowohl die Außenmauern als auch die Innenwände sämtlich unverputzt in ihrer Monochromie zahlreich changierender Ziegelrottöne. Der Neubau ist durch einen gläsernen Verbindungsgang mit einem Altbau, einer Villa aus den 1920er Jahren verbunden.
Die Ausstellung
Im Inneren des Kunsthauses, das an seinem Ruhetag exklusiv seine Pforten nur für die aus München angereisten Kunstinteressierten des Kollegs geöffnet hatte, führte Maya Heckelmann, die Direktorin des Hauses, zusammen mit dem Kunstlehrer der Gruppe durch die Ausstellung vier (befreundeter!) Münchner Künstler: Florian Süssmayr, Martin Fengel, Martin Wöhrl und Zsolt Zrinyi. Sie hatten bereits 2020 in Eigenregie und in kleinerem Rahmen ihre Schau in München gezeigt. Vier künstlerische Sparten und Positionen treffen – geschickt assoziativ verknüpft – aufeinander. Der Maler (Süssmayr), der Fotograf (Fengel), der Bildhauer (Wöhrl) und der Keramiker (Zrinyi) widmen sich, trotz aller subjektiver Sicht und individueller Herangehensweise, einer gemeinsamen und sie einenden Aneignung unserer Gegenwart. Sie alle berührt das sogenannte Alltägliche, Unscheinbare, Ungewöhnliche, Abseitige, das zuweilen Bizarre und scheinbar Hässliche … Eine äußerst subtile »Schule des Sehens«.
Der fast zweistündige Gang durch diese virtuos verzahnte Welt des Künstlerquartetts stieß bei den Teilnehmenden auf sichtliches Interesse. Dies zeigte sich in lebhaften, sich immer wieder an einzelnen Werken entzündenden Gesprächen.
Mit geöffnetem Auge, einer neuen und frischen Sicht auf die uns umgebenden, aber meist unbeachteten Belanglosigkeiten unserer Lebenswirklichkeiten, trat man schließlich die Rückreise an.
Die Kunst als »ein Mittel zur Demokratisierung des Blicks« Katja Petrowskaja, Das Foto schaute mich an
Martin Paulus