„Dr. Obermayer’s OPERNKLASSE goes to Passion Play“
Der 8. Mai 2022, ein Sonntag, war für das Münchenkolleg ein besonderer Tag: ERSTMALS in der nicht gerade ereignisarmen Geschichte unserer Schule (immerhin schon 1961 gegründet) besuchte eine Schülergruppe, genauer gesagt meine Opernklasse, die Passionsspiele in Oberammergau, die nur alle zehn Jahre von der Dorfgemeinschaft (ca. 5000 Einwohner) aufgeführt werden, und dies seit fast 400 Jahren!
Die Geschichte der Passionsspiele
Die Website der Passionsspiel informiert über den ernsten historischen Hintergrund: „Die Pest wütete in vielen Teilen Europas und machte auch vor Oberammergau nicht halt. Um dem Elend ein Ende zu setzen, beschlossen die Oberammergauer ein Gelübde abzulegen. 1633 schworen sie, alle zehn Jahre das Leiden und Sterben Christi aufzuführen, sofern niemand mehr an der Pest stirbt. Das Dorf wurde erhört und so spielten die Oberammergauer 1634 das erste Passionsspiel. Ihr Versprechen haben die Oberammergauer bis heute gehalten.“
Seit Jahrzehnten sind die Passionsspiele – neben den Wagner-Festspielen in Bayreuth und den Salzburger Festspielen – fester Bestandteil des internationalen Kulturbetriebs und -tourismus: dementsprechend hoch – und für DurchschnittskollegiatInnen unerschwinglich – sind auch die Eintrittspreise.
Die Passionsspiele und die Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie schlug auch in Oberammergau zu: die 42. Passionsfestspiele mussten 2020 im letzten Moment abgesagt werden, da am 15.3.2020 – alle werden sich sicher noch an dieses ‚Schicksals’-Datum erinnern – der bundesweite Lockdown verhängt wurde.
Schweren Herzens beschloss Christian Stückl, seit 1987 Spielleiter der Passionsspiele und uns Münchnern bestens bekannt als Intendant des Volkstheaters, die „Passion“, wie die Oberammergauer ihr Event liebevoll nennen, um zwei Jahre zu verschieben, und nicht nur das: immer bestrebt, auch Jüngere in sein Theater zu locken, reservierte er zum ersten Mal in der Geschichte der Passion für das Wochenende vor der Premiere zwei Vor-Aufführungen „für Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 28 Jahren“ (Ankündigungstext) und nannte sie „Jugendtage“, zum Sensationspreis von € 16.-!!
Der Run auf diese Karten war enorm: schon vier Monate vor Beginn waren alle 9000 Karten (ja, das Theater fasst 4500 Zuschauer!) ausverkauft, und das zu einem Zeitpunkt, wo noch längst nicht klar war, ob die Inzidenzzahlen nicht auch 2022 Großveranstaltungen dieser Dimension vereiteln würden – die Theater und Opernhäuser plagten sich zu dieser Zeit mit Hygienekonzepten herum, die maximal nur 25%, später 50 % Zuschauer erlaubten!
Langer Rede kurzer Sinn: ich konnte uns Anfang Dezember 2021 glücklich ein Kartenkontingent sichern und hoffte, wie seinerzeit die Oberammergauer, auf die Mithilfe des Lieben Gottes.
Unser Besuch der Passionsspiele
Am 8. Mai, in der kurzen Erholungsphase zwischen schriftlichen Abitur- und Kolloquiumsprüfungen, reisten wir politisch korrekt mit dem Bayernticket an und mussten rasch feststellen, dass manche (zugegeben auch wir) die Verhältnisse – und den Frühling – zu optimistisch einschätzt hatten: es regnete bei ca. 10 Grad, und die riesige Zuschauerhalle ist zwar vollständig überdacht, doch das Passionstheater ist und bleibt eine FREILUFT-Bühne, ohne jeden Heizpilz! Eilig herbeigeschaffte Decken konnten für einige Linderung sorgen.
Christian Stückls launige und hochinformative Einführungsrede, konsequent in bayerischem Dialekt gehalten, sorgte für ein gelungenes ‚Warm-Up’, und dann ging es los: von 14.30 Uhr bis 22.30 Uhr, mit einer Pause, in der wir uns im Käfer-Zelt preisgünstig (keine Ironie!) verköstigen konnten.
Die Aufführung selbst war ein Riesen-Spektakel, vergleichbar allenfalls mit Max Reinhardts Masseninszenierungen der 1910er und 1920er Jahre: 1500 Mitwirkende (alles beurkundete OberammergauerIinnen!), Orchester, Chor, Solisten, Kinderscharen, lebende Bilder, lebende Tiere (Kamele, Ziegen, Pferde, Schafe), bewegende Kreuzigungs- und Kreuzabnahme-Szenen, kurzum, die 4500 Zuschauer waren alle so hingerissen, dass die Kälte, die in den Abendstunden noch deutlich zunahm, in Vergessenheit geriet.
Riesen-Applaus für alle (Laien!-)Schauspieler, Sänger und Musiker, und dann – leider ohne Après-Theater – im Eilmarsch zum Sonderzug, den nun wirklich keiner verpassen wollte: er war glücklicherweise geheizt und voll besetzt, sodass wir alle gründlich aufgewärmt kurz nach Mitternacht in München ankamen.
Ein Erlebnis in Oberammergau, das jeder/m weiterempfohlen werden kann, die Passion läuft noch bis zum 2. Oktober. Und wer weiß, vielleicht sehen wir uns wieder zu den 43. Passionsspielen, im Jahre 2030?
Dr. Hans Peter Obermayer