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Es lebe der Ostfriedhof!

Diese Gräber wurden von der Wohltätigkeitsorganisation BISS gespendet.

Die BISS ist ein Münchner Zeitungsprojekt, das Bürger*innen in sozialen Schwierigkeiten hilft, sich selbst zu helfen.

Dass man ausgerechnet auf einem Friedhof so einiges entdecken und erleben kann, diese Erfahrung machten die ersten Klassen und Vorkurse am 29. April 2022 auf dem Münchner Ostfriedhof. Dort zeigte Frau Zarschizki, Kunsthistorikerin und Stadtführerin, ihnen bei einer Führung, dass dieser Friedhof vieles über die Geschichte und aktuelle Entwicklung unserer Gesellschaft verrät.

Bei schönstem Wetter liefen die Schüler*innen über das Gelände des Ostfriedhofs vom Krematorium zu den Gräbern der Wohltätigkeitsorganisation Bürger in sozialen Schwierigkeiten. Das Zeitungsprojekt der BISS ist wohl derzeit das bekannteste Beispiel für soziale (Selbst)Fürsorge in München. Die Stiftung erhielt mehrere Grabstellen auf dem Giesinger Ostfriedhof von Rudolph Mooshammer. Trotz seines frühzeitigen Todes ist dieser Münchner Modemäzen dank seines karitativen Engagements für Obdachlose weiterhin bekannt. Auch sein Mausoleum auf dem Ostfriedhof besuchten die Kollegiat*innen.

Die Schüler*innen und Lehrkräfte des Städtischen Münchenkollegs betrachten den Gedenkstein für Kurt Eisner auf dem Münchner Ostfriedhof.

Die neu geschaffene Erinnerungsstätte für Eisner und die „Helden der Revolution“ von 1918.

Mooshammer ist aber nicht die einzige prominiente Person auf dem Ostfriedhof. Denn unter den Grabsteinen finden sich auch die von Münchner Bürgermeistern und bayerischen Politiker*innen. Ein Grab bleibt leider bis heute verschwunden: das Kurt Eisners. Der erste bayerische Ministerpräsident, der im November 1918 den Freistaat Bayern ausrief, wurde nur drei Monate später ermordet. Zwar nahmen Zehntausende Münchner*innen und internationale Gäste Abschied von Eisner, wie Originalfilmaufnahmen zeigen, doch im Nationalsozialismus wollte man das Grab eines jüdischen Sozialisten nicht mehr auf dem Ostfriedhof wissen. Erst in der Bundesrepublik errichtete man wieder einen Gedenkstein für Eisner und die „Helden der Revolution von 1918“. Eben jenen Gedenkstein sowie die renovierte Brunnenanlage auf dem Ostfriedhof besichtigten die Schüler*innen des Münchenkollegs.

Auf dem Münchner Ostfriedhof erstrahlt die Brunnenanlage im neuen Glanz

Auf dem Münchner Ostfriedhof erstrahlt die restaurierte Brunnenanlage im neuen Glanz – nur das Wasser fehlt!

 

Abstecher in die Feldmüllersiedlung

Vorbei an den Gräbern renommierter Gastronomen verließ die Besuchergruppe schließlich den Ostfriedhof in Richtung Feldmüllersiedlung. Diese kleine Siedlung innerhalb Giesings zeugt noch heute von den Wohnverhältnissen in Giesing in der Zeit der Industrialisierung. Heute versprühen die kleinen Herbergen Idylle pur. Doch der Schein trügt. Zur Zeit der Industrialisierung hauste man hier auf engstem Raum zusammen. Die verwinkelten Hinterhöfe legen davon noch heute Zeugnis ab. Außerdem zeigt sich am juristischen Kampf um den illegalen Abriss des denkmalgeschützten Uhrmacherhäusls, wie sehr noch heute um das historische Erbe Giesings gerungen wird.

Durch die Besuche des Ostfriedhofs und der Feldmüllersiedlung konnten die Kollegiat*innen an zahlreichen Beispielen erkennen, wie sehr Giesing von der jeweiligen Zeit geprägt ist. Das gilt für den öffentlichen Raum damals wie heute. Dass diese Konflikte nicht immer friedlich oder mit lauteren Mitteln ausgetragen werden, dafür sind das Grab Eisners oder das Uhrmacherhäusl nur zwei Beispiele. Dennoch kann die Gesellschaft für ihre schwächeren Mitglieder solidarisch einstehen. Eben dafür sind Mooshammer und die BISS löbliche Beispiele.

N. Wanninger