P-Seminar: Studienfahrt Madrid vom 8. bis 12.09.2016:
Habsburger, Retiro, Chopitos, Velázquez, Movida und viele Kilometer zu Fuß
Anreise
Was wiegen 11 Kulturtaschen? Da wir mit unseren Flugtickets nur ein Anrecht auf kostenloses Handgepäck hatten, mussten die Toilettenbeutel aller Reisenden in einen Koffer: immerhin 26,5 kg. Die junge Dame von Iberia war großzügig und erwähnte das Gewicht nicht einmal. Nach zweieinhalb Stunden Flugzeit landeten wir pünktlich in Madrid. Dort waren am Metro noch einige Handwerker mit Renovieren beschäftigt: Überraschung! Mehrere Gespräche mit dem Besitzer, umliegenden Hostal-Betreibern und telefonisch mit booking.com in den Niederlanden und Spanien brachten keine Lösung: Anfang September befinden sich SEHR viele Touristen in Madrid. 11 leere Betten bei begrenztem Budget findet man nicht. Nicht schlimm: Das „Delfina“ war eine gute Wahl!
Erste Entdeckungen
Stunden später: Alle hatten großen Hunger, also ging es nach „draußen“ zur Puerta del Sol. Dort warteten Cristina und Alfonso, spanische Familienmitglieder im Kollegiatenalter. Sie gestalten den Abend. U.a. wurde chocolate con churros (frisch frittierte Fettkringel, hört sich nicht lecker an, schmeckt aber so) in San Ginés probiert, einer traditionellen Endstation vieler Feiernder. Am Freitagmorgen ging es nach dem Frühstück in einer Bar mit unterhaltsamem Thekenprogramm (mehrere Transvestiten diskutierten den Verlauf der vergangenen Nacht) zu Fuß durch die Bezirke Argüelles und Moncloa zum Bus nach San Lorenzo del Escorial. Je nach Geschmack des Fahrers herrschen in den Bussen angenehme oder auch ausgesprochen kühle Temperaturen (Klimaanlage …).
Ca. 50 km nordwestlich von Madrid liegt das Klosterschloss El Escorial. Dies ist eine monumentale Residenz der Habsburger aus dem 16. Jahrhundert, erbaut unter Philipp II. aus weiß-grauem Granit. Er starb 1598. Von seinem Bett aus hatte er den Blick auf den Hauptaltar der Kirche. Schlachtensaal, Kapitelsäle, Pantheon der Könige: außer Gemälden von Tizian, Ribera, van der Weyden und El Greco gab es auch Werke von Hieronymus Bosch. An dessen 500. Todesjahr wird 2016 erinnert. Für den Bourbonenpalast und die Gärten gab es keine Zeit. Um Viertel nach drei ging der einzige Bus ins Valle de los Caídos. Schnell am Busbahnhof Empanadas, kleine gefüllte Teigtaschen und Wasser erstanden (während unseres Aufenthaltes bewegten sich die Temperaturen zwischen 31 und 36 ° C) und – endlich Sitzen!
¡Buen provecho!
Das „Tal der Gefallenen“ ist eine Gedenkstätte für die 1936-1939 im Spanischen Bürgerkrieg Gefallenen. Sowohl Primo de Rivera, der Gründer der Falange, wie auch General Franco sind in einer im Fels angelegten Basilika begraben. Vom über 30 000 qm großen Vorplatz hat man einen wunderbaren Ausblick. Zurück im Ort San Lorenz del Escorial gab es endlich mehr zu essen: „Raciones“, d.h. die Großform der Tapas: Tortilla (=Kartoffelomelett), Krake, kleine Tintenfische, Garnelen, „Patatas bravas“ – natürlich auch Sandwiches.
Gegen 20.30 Uhr waren wir wieder in Moncloa, der Rückweg zum Hostal beinhaltete außer einem ausgiebigen Fotostop am nubischen Debod-Tempel aus dem 4. Jh. v.Chr., den Ägypten Spanien 1968 für Hilfe beim Bau des Assuan-Stausees schenkte, auch eine Horchata-Verköstigung. Aus Erdmandeln, Wasser und Zucker wird dieses erfrischende Getränk hergestellt, das sowohl auf Zustimmung wie Ablehnung stieß – zur „Not“ konnte man sich auch ein Eis kaufen! Auf der Plaza de Oriente dann Flamenco, auf der Puerta del Sol diversen Breakdancer.
Am Samstag, im seit 1894 existierenden Café „La Mallorquina“, bestellte die Mehrheit bereits souverän „Café con leche, cortado o doble“. Süß? „Napolitanas de crema“. Salzig? „Tostada con huevo“ oder „Huevos a la plancha“ wurden auch geordert. Solchermaßen gestärkt folgte man den Ausführungen zum „Sonnentor“, auf dem 2011 auch viele Madrilenen während der Wirtschaftskrise protestierten, und zur Plaza Mayor, dem arkadenumflankten Zentrum der Stadt. In der San Miguel-Markthalle, einer ansprechenden Jugenstilkonstruktion aus Eisen und Glas, wird das ganze kulinarische Spektrum Spaniens angeboten: vom Seeigel über Stockfisch, Kutteln, Paella, Gazpacho, Entenmuscheln – frisch gepresste Fruchtsäften und anderen flüssige Stärkungsmitteln wurde auch zugesprochen. Einige erlebten das Schauspiel einen spanischen Junggesellenabschieds.
Auf in die Altstadt!
Auf der Altstadt-Plaza de la Villa findet man mit der Casa und Torre de los Lujanes Zivilbauten aus dem 15./16. Jht. Anschließend wurden wir Zeugen einer Wachablösung auf dem Waffenplatz des Palacio Real, Pferde und Soldaten wechseln alle 30 Minuten. Durch die Sabatini-Gärten und am Principe Pio-Bahnhof vorbei gelangten wir zur Kapelle San Antonio de la Florida, die Goya 1798 mit Fresken ausgeschmückt hat. Seit 1919 ruhen hier auch die sterblichen Überreste des Malers. In der angrenzenden „Casa Mingo“, einer Madrider Institution seit 1888, versuchten wenige den asturischen „cidra“ (=Apfelwein), viele das ebenso typische Grillhähnchen.
Zum obligaten Kaffee mussten wir auf die andere Straßenseite wechseln – und erste Ausfälle (Schlafmangel?!) konstatieren. Die überwiegende Mehrheit marschierte jedoch munter weiter zum Zentrum des Malasana-Viertels, der Plaza Dos de Mayo. Beim Aufstand gegen die Franzosen 1808 zeigte sich bereits der rebellische Geist der Bewohner dieses „Barrios“, nach Francos Tod 1975 eröffneten schrille Musikbars, Läden und die „Movida“, geprägt auch von dem exzentrischen Regisseur Almodóvar, kennzeichnete dieses Viertel.
Unterwegs zum „Rastro“, dem Madrider Flohmarkt mit über 3500 Ständen unter freiem Himmel, gab es am Sonntag Frühstück in einer kleinen Bar in Lavapiés, einem der ältesten Viertel der Stadt, in dem heute viele Immigranten leben. Ausgesprochen günstig die Preise (2,25 € für Kaffee und Kuchen), relativ unfreundlich die Angestellten! Im Kontrast dazu unser „Tagesmenü“ mit Gazpacho, Schwertfisch oder Entrecôte und spanischem „Pudding“ in einem Restaurant in der Calle de Moratín, dessen Besitzer augenscheinlich Anhänger des Stierkampfes waren.
Ein Radrennen mitten in Madrid
Nach einer kurzen Siesta im Hostal stand um 16.00 Uhr unser Termin im Prado-Museum an: ein Problem, da direkt vor unserer Haustür die letzte Etappe des „Vuelta a España“- Radrennens stattfand und großflächig abgesperrt worden war! So mussten wir im Stechschritt bis zum Atocha-Bahnhof und dann den Paseo del Prado wieder hinauf. Angesichts des Tempos eine (fast) sportliche Herausforderung!
Die über 9000 Gemälde und Skulpturen kann man nicht bei einem Besuch sehen. Wir haben uns auf Velázquez und Goya beschränkt, anschließend blieb Zeit für individuelle Schwerpunkte. Im Stadtpark Retiro, in dem spektakuläre Hoffeste mit Wasserschlachten, Feuerwerk und Theateraufführungen im 17 Jahrhundert gefeiert wurden, schlenderten wir wie viele Hauptstadtbewohner am See entlang, fotografierten die Ruderboote und Reiterstatue von Alfons XII und endeten im Kristallpalast, ursprünglich wurden dort exotische Pflanzen aus Asien ausgestellt, heute dient sie zur Präsentation moderner Kunst. Dank des – beendeten – Radrennens konnte man sich sogar kurze Zeit zu Fuß auf der Gran Vía-Straße bewegen! Nach kurzer Stippvisiste auf der Dachterrasse eines anderen Hostals erholten wir uns bei „Cerveza“ und „Pinchos“ auf einer Terrasse der Plaza Santa Ana im Literatenviertel Huertas.
Montag, der letzte Tag in Madrid
Am Montag galt die Devise „um 9.30 Uhr gefrühstückt VOR der Mallorquina“. Nach einer Besichtigung der Bischofskirche La Almudena (in der König Felipe 2004 geheiratet hat) ging es zum Königspalast, den der Bourbone Philipp V. im 18. Jht. in Auftrag gab. Über eine beeindruckende Treppe von Sabatini gelangt man in die ca. 30 Räume (von 2000), die zur Besichtigung freigegeben sind. Der wichtigste Raum des spanischen Hofprotokolls, der Thronsaal, ist mit Fresken von Tiépolo geschmückt. Ob einem der grün-weiße Salon de Porcelana, dessen Decke und Wände ebenfalls aus diesem Material gefertigt sind, zusagt, ist sicherlich Geschmackssache. Im „Comedor de Gala“, in dem 144 Personen speisen können, war eingedeckt. Unter der Regentschaft des französischen Statthalters Joseph Bonaparte 1808-1813 begann man mit der Anlage der schönen Plaza de Oriente, auf der sich auch 20 Marmorstatuen ehemaliger spanischer Herrscher befinden.
Nach einem Blick auf das 1850 eröffnete Opernhaus Teatro Real starteten viele zum Shopping-Marathon. Ein typisches Mitbringsel: Violetas, also Veilchenbonbons aus einem Geschäft auf der Plaza de Canalejas. Fächer (man denke an unseren heißen Juli 2015) waren von einigen bereits erstanden worden.
Abreise
Am späten Nachmittag erfolgte ein letzter Fußweg (mit Gepäck!) über das Metrópolis-Gebäude und den Cibeles-Brunnen zur ehemaligen Hauptpost. Der Brunnen wurde leider renoviert und war abgedeckt. Die Hauptpost entstand 1918 im Zuckerbäckerstil und ist heute vor allem Kulturzentrum. Für uns auch Haltestelle, ein Bus brachte uns zum Terminal 4 des Flughafens Barajas, der für die spanische Linienfluggesellschaft Iberai reserviert ist. Gegen 22.15 Uhr erfolgte wie geplant die Landung in München, müde und schnell nach Hause: Am Dienstag, 13.09.16 begann für alle um 8.15 Uhr die Schule!
A. Wohlers