LandeshauptstadtEin Versuch
Nachdem sich die Ethikschüler*innen der ersten Klassen über das ganze Schuljahr 2021/22 hinweg mit verschiedenen Theorien aus drei Jahrtausenden auseinandergesetzt hatten, stand in der letzten Ethikstunde vor Schuljahresende eine scheinbar ganz leichte Aufgabe an: Sie sollten eine möglichst ethische Tafel Schokolade bzw. Sorte Kaffee in einem der beiden Supermärkte auf dem Giesinger Bahnhofsplatz einkaufen. Ausgestattet mit einem Klemmbrett und der App GoodsOfPower starteten die Kleingruppen in zwei Supermärkte.
Einkaufen im konventionellen Supermarkt
Die Kleingruppen, die im konventionellen Supermarkt nach einem geeigneten Produkt suchten, wurden recht schnell fündig. Kein Wunder, denn die Auswahl der Produkte, die die hohen ethischen Standards der Kollegiat*innen genügte, war recht begrenzt. So fanden sich beispielsweise in einer ganzen Regalwand mit Dutzenden von Schokoladensorten nur zwei, die überhaupt ein Fairtrade- oder Biosiegel trugen. Mit aber ca. €3 pro Tafel merkten die Gruppen auch recht schnell, dass ethische Werte einen gewissen Preis haben. Mit der App konnten die Schüler*innen zudem die Barcodes der meisten Produkte scannen, um zu sehen, wie viel Energie und Co2 bei der Herstellung des Produkts verbraucht wurden.
Einkaufen im Biosupermarkt
Im Biosupermarkt dagegen war das Einkaufen um einiges schwieriger. Hier trugen die meisten Produkte ein oder sogar mehrere Fairtrade- oder Biosiegel. Auch regionale Produkte waren hier verfügbar. Eine Abwägung bei der umfangreichen Produktpallette bereitete ziemliches Kopfzerbrechen.
Hier ein Beispiel: Kaffee kann nicht nur aus Kaffeebohnen sondern auch aus Lupinen, einer in Bayern wachsenden Pflanze, gewonnen werden. Dennoch sind die Energie- und Co2-Werte für den Bohnenkaffee mehr als doppelt so gut wie für den Lupinenkaffee. Rentiert sich in diesem Fall also noch der Umstieg auf ein komplett regionales Produkt, wenn es gleichzeitig einen Bohnenkaffee aus einer Giesinger Kaffeerösterei zum Einkaufen gibt?
Würden Sie von Bohnen- auf Lupinenkaffee umsteigen, wenn die die ethisch richtige Entscheidung wäre?
Fazit
Somit erwies sich das Einkaufen von gerade einmal einem Produkt als reichlich schwierig. Wie ein kompletter Einkauf nach ethischen Kriterien bewältigt werden kann und welchen Preis dieser hätte, das konnten die Schüler*innen nur erahnen. Doch neben der großen Bedenkzeit und dem hohen Preis, stießen die Schüler*innen auf weitere Schwierigkeiten: Nicht alle Produkte sind in der App hinterlegt, so dass ein Vergleich oft nicht möglich ist. Die verschiedenen Bio- und Fairtrade-Siegel stiften oft mehr Verwirrung und Verunsicherung beim Käufer als alles andere. Ob ein Fairtrade- oder Bioprodukt automatisch ethischer ist als ein konventionelles Produkt ist hoch umstritten.
Auch wenn dieser kurzer Unterrichtsgang keine endgültige Antwort darauf geben konnte, wie und was man genau einkaufen soll, so war er doch ein erster Denkanstoß für die Kollegiat*innen des Münchenkollegs in ihrem ganz konkreten Alltag.
N. Wanninger