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Geschichtstag der K2 in Augsburg

Lautes Geschepper und stilles Gebet

Ein Mitarbeiter des tim erläutert, wie die Webmaschine den Faden per Luft transportiert

Ein Mitarbeiter des tim erläutert, wie die Webmaschine den Faden per Luft transportiert

Das Museum

Mit lautem Geklapper setzt sich beim Geschichtstag die Webmaschine im Augsburger Textil- und Industriemuseum (tim) im Gang. Mehrere Schüler*innen des Münchenkollegs halten sich die Ohren zu, während das Schiff mit dem Faden von links nach rechts schießt und der fertige Stoff Zentimeter für Zentimeter aus der Webmaschine rattert. „Die ist nicht so laut“, hatte der Museumsmitarbeiter noch kurz zuvor angekündigt. Das ohrenbetäubende Geschepper belehrt die K2 eines Besseren. Nachdem der Museumsmitarbeiter nach ca. einer Minute die Maschine wieder abgestellt hat, erklärt er: „Von dieser Art von Maschinen standen ca. hundert Stück in einer Augsburger Produktionshalle. Da könnt ihr euch jetzt vorstellen, wie laut es da drinnen war. Als Arbeiter einer Weberei hat man nach ein paar Jahren sowieso nichts mehr gehört.“

Die Exponate des tim, die die Schüler*innen der K2 im Rahmen des Geschichtstags mit Herrn Wecker und Frau Wanninger besichtigten, sind immerzu Zeugnis für zweierlei: die atemberaubend schnelle Technisierung der Textilproduktion in Augsburg und das eklatante Fehlen eines Arbeiter*innenschutzes. Denn wo eine Maschine mehrere Spulen Garn aufrollt, da bedarf es in der Produktion arbeitender Kinder, die abgerissenen Fänden wieder festknoten. Wo ein automatisierter Webstuhl die Arbeit von mehreren Webern erledigt, da fällt die Verdienstmöglichkeit ganzer Landstriche weg. Selbst in den Städten wie Augsburg, wo die automatisierten Webstühle für neue Arbeitsplätze sorgen, da laufen sie nur, weil die Arbeiter*innen ihre Gesundheit opfern, während sie die Maschinen bedienen. Somit geht der Wandel der Technik in der Industrialisierung stets Hand in Hand mit einem Wandel der Gesellschaft.

Eine Mitarbeiterin des tim erläutert, wie diese Maschine dazu diente, Fäden auf Spulen zu rollen.

Eine Mitarbeiterin des tim erläutert, wie diese Maschine dazu diente, Fäden auf Spulen zu rollen.

Während der Führung durch das Museum lernen die Schüler*innen der K2 verschiedene Methoden der Textilproduktion kennen. Dazu gehören die Produktion aus Seide, Baum- und Schafswolle sowie aus Chemiefasern (z.B. Polyester). Augsburg ist aber auch eine Stadt, die für ihre verschiedenen Drucktechniken bekannt war. Schon im späten Mittelalter wurde Augsburg dank des Kattundrucks, einem Verfahren, in dem mit Holzblöcken bunte Muster gedruckt werden können, zu einem der reichsten Städte Europas. Weitere Druckverfahren mit Modeln und Walzen aus Metall sind auch im Museum ausgestellt.

 

Der Workshop

Ein anderes Verfahren testen die Schüler*innen im Anschluss an die Führung selbst: den Siebdruck. Dabei wird mit einer Rakel die Farbe durch ein Metallsieb gepresst. Das in das Sieb eingestanzte Motiv wird so auf den darunterliegenden Stoff übertragen. Sobald die Farbe ein paar Minuten gebügelt ist, ist es fixiert und so erhalten die Schüler*innen ein selbstgestaltetes Druckerzeugnis zum Anziehen. Diese Druckerzeugnisse sind vielleicht nicht ganz so professionell gestaltet, wie die im Museum ausgestellten Paillettenkleider aus den rauschenden zwanziger Jahren oder die schwingenden Reifröcke aus dem Biedermeier, aber dafür umso alltagstauglicher.

 

Die Fuggerei

SchülerInnen der Oberstufe beim Geschichtstag 2023 in der Fuggerei

Schüler*innen der Oberstufe beim Geschichtstag 2023 in der Fuggerei

Ein Beispiel dafür, dass die Profite in der Augsburger Textilproduktion nicht immer zu Lasten der einfachen Bevölkerung gehen müssen, zeigt sich am Rande der historischen Altstadt. Die Fuggerei, die die Schüler*innen ebenfalls kurz besuchen, ist mit über 500 Jahren die älteste Sozialsiedlung der Welt und eine Stiftung, die auf einen der reichsten Textilproduzenten aller Zeiten zurückgeht: Jakob Fugger. Für € 0,88 Jahresmiete (!) wohnt man noch heute unschlagbar günstig in der ruhigen Anlage. Voraussetzung hierfür: Bedürftigkeit, Mitgliedschaft in der katholischen Kirche, Abstammung aus Augsburg und drei tägliche Gebete für den Stifter. Auch wenn Fugger mit der Stiftung durchaus egoistische Motive verfolgte (z.B. Steigerung seines Prestiges, Sicherung seines Seelenheils, Religionspolitik für den Katholizismus), so hat er dennoch mit der Fuggerei etwas derart Bereicherndes für die Augsburger geschaffen, das weltweit seinesgleichen sucht. Da verzeiht man ihm seine alternativen Motive für den Aufbau der Fuggerei wahrscheinlich relativ leicht.

 

Fazit

Die K2 bedankt sich beim Freundeskreis des Münchenkollegs für die großzügige Unterstützung bei der Finanzierung des Geschichtstags. Sie ermöglichte unseren Schüler*innen Einblicke in die Stände- und Industriegesellschaft, wie sie im Klassenraum nie möglich sind.

Gruppenbild der gymnasialen Oberstufe K2 beim Geschichtstag 2023

Gruppenbild beim Geschichtstag 2023 vor der Augsburger Kammgarnspinnerei, mitten im ehemaligen Industrieviertel

 

N. Wanninger