Das Planspiel WELT MACHT HUNGER zeigt Handlungsalternativen in einer Welt eklatanter sozialer Ungleichheit auf
Am Mittwoch, den 26. Juni 2023 fand das Planspiel WELT MACHT HUNGER für alle Klassen des Städtischen Münchenkollegs statt. (Ein Planspiel ist eine handlungsorientierte Lehrmethode in der schulischen oder außerschulischen Bildung, die komplexe Zusammenhänge in vereinfachter und spielerischer Form vermittelt.) Entworfen wurde das Planspiel von dem Verein Satt e.V., einem Verein, der sich im Kampf gegen den weltweiten Hunger engagiert. Gefördert wurde das Planspiel u.a. vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Das Planspiel fand im Rahmen der Projektwoche von den Gesellschaftswissenschaften unter Anleitung von Frau Wanninger und mit der Unterstützung von Frau Schmeltzer und Frau Naudin statt. Aus Zeitgründen spielten die Schüler*innen am Münchenkolleg in etwa die Hälfte der Spiele: ein Aufwärmspiel, zwei Konkurrenz- und ein Kooperationsspiel.
Los ging’s, nach einem kleinen Aufwärmspiel, im ehemaligen Bibliotheksraum mit dem Vorstellen der Rollen. Schon hier zeigte sich, dass die verschiedenen Rollen mit unterschiedlich viel Geld ausgestattet wurden. Während beispielsweise der Schüler, der den Deutschen Robert Bauer spielte, gleich einmal zu Spielbeginn $500 einstrich, erhielten die Spieler*innen aus Brasilien gerade einmal $100. Spieler*innen, die v.a. asiatische oder afrikanische Rollen spielten, traf es noch härter, denn sie gingen zu Spielbeginn komplett leer aus. Dieses Muster zeigte sich im Spielverlauf immer wieder: Schüler*innen, die Rollen aus Industriestaaten spielten, waren bei den Spielen mit deutlich besseren Startbedingungen ausgestattet. Dagegen hatten Schüler*innen aus Entwicklungs- oder Schwellenländern deutlich schwierigere Startbedingungen und konnten nur geringfügig oder gar nicht in den einzelnen Spielen konkurrieren.
So lief es beispielsweise auch beim ersten Konkurrenzspiel, der Flussüberquerung. Hier galt es einen 10 Meter breiten Fluss zu überqueren. Der Fluss, abgesteckt durch zwei Maßbänder, durfte selbst nicht berührt werden, sondern musste über die Pappkartons, die die Schüler*innen als Teil ihrer Materialien zu Spielbeginn in Umschlägen erhielten, überquert werden. Während beispielsweise der Spieler aus Deutschland mit zwei DIN A4 großen Kartons die Reise über den Fluss entspannt meisterte, waren Spieler*innen, die Haiti, Somalia und die DR Kongo verkörperten, ratlos, wie sie mit einem einzigen Streichschachtel-großen Karton die Überquerung meistern sollten. Immerhin kam ein Spieler, der das Land Bangladesch verkörperte und mit einem DIN A4 Karton ausgestattet war, auf die Idee, eben diesen Karton zwischen seinen Schuhen zusammenzuschieben und damit dann die Strecke zu hüpfen. So war er unter denjenigen, die immerhin noch ein Preisgeld für eine der besten Zeiten erhielten.
Beim zweiten Konkurrenzspiel, dem Turmbau, waren die Schüler*innen mit zwei verschiedenen Sachen ausgestattet: Die Industriestaaten hatten Büroklammern, die Innovation repräsentierten, während die Entwicklungs- und Schwellenländer meist Papier oder Makkaroni zur Verfügung hatten, die für deren Rohstoffe stand. Nun galt es einen möglichst hohen freistehenden Turm zu bauen. Dazu konnten die Spieler*innen mit ihren Materialien und ihrem Geld handeln und auch ihre Arbeitskraft verkaufen. Besonders leicht gestaltete sich das Spiel für den Schüler, der die Rolle des amerikanischen John Smith spielte, denn er war als einziger mit Tesafilm ausgestattet. Er konnte Streifen dieses Tesafilms an andere Spieler*innen verkaufen und nahm so während des Spiels immer wieder Geld ein. Das Preisgeld ging schließlich an die Spieler aus Kanada und Deutschland. Nach Abschluss der Konkurrenzspiele hatten die Schüler*innen folgender Länder folgende Beträge erspielt:
Position | Land | Betrag |
1 | USA | $11.048,50 |
2 | Deutschland | $5.752 |
3 | Kanada | $3.204 |
4 | Frankreich | $2.609 |
5 | China | $1.300 bzw. $703 |
6 | Tadschikistan | $922 bzw. $27,50 |
7 | Bangladesch | $911 |
8 | Brasilien | $365 bzw. $308 |
9 | Elfenbeinküste | $124 bzw. $30 |
10 | Somalia | $112,50 |
11 | Haiti | $106 |
12 | Indien | $27,50 bzw. $17 |
13 | Äthiopien | $20 |
14 | Tansania | $16,50 |
15 | Uganda | $16 |
(Da einige Länder zwei Spieler*innen hatten, ergaben sich hier zwei unterschiedliche Beträge, z.B. bei China.)
Nach einer kurzen Pause tauschten die Schüler*innen ihre Erfahrungen im Spiel aus und sprachen darüber, was das Planspiel abzubilden versucht. Schnell konnten die Schüler*innen dabei erkennen, dass das System, das ihnen die Spielregeln vorgab, hochgradig ungerecht war. Das hatte bei Schüler*innen, die Schwellen- und Entwicklungsländern zu viel Frust und manchmal auch zur Resignation geführt. Anschließend diskutierten die Schüler*innen darüber, was Auslöser für dieses ungerechte System war und welche kooperative Handlungsalternativen es geben könnte.
Wie eine kooperativ zusammenarbeitende Staatengemeinschaft aussehen könnte, testeten die Schüler*innen anschließend in einer zweiten Flussüberquerung. Dieses Mal hatten die Schüler*innen fünf DIN A4 Kartons zur Verfügung – also weniger Ressourcen, als die USA in der ersten Flussüberquerung gehabt hatte. Doch die Herausforderung bestand dieses Mal darin, alle Spieler*innen über den Fluss zu transportieren. Schnell entwickelten die Schüler*innen ein System, in dem immer wieder eine Person mit den Kartons wieder zum ursprünglichen Ufer zurückkehrte, um weitere Personen abzuholen. Im Laufe des Spiels steigerten die Schüler*innen sogar ihre Effizienz, indem sie pro Überquerung vier statt drei Personen über den Fluss transportierten. So schafften es tatsächlich alle Schüler*innen innerhalb kurzer Zeit über den Fluss.
Insgesamt war das erste Planspiel am Münchenkolleg eine gute Gelegenheit für die Schüler*innen globale Zusammenhänge kennenzulernen und nach Handlungsalternativen zu suchen. Gerade auch aus der Sicht der einstündigen gesellschaftswissenschaftlichen Fächer Ethik, PuG und Wirtschaft und Recht war das Planspiel außerdem eine exzellente Gelegenheit, einmal die Möglichkeiten ihrer Fächer in intensiverer Form auszutesten.
N. Wanninger